Lesedauer 6 Minuten

Das Gold der Sonne einfangen – Johanniskraut ernten und trocknen: Ein Leitfaden

Es gibt Pflanzen, die mehr sind als nur Grünzeug. Sie sind Träger von Geschichten, von altem Wissen und von der reinen Kraft der Natur. Johanniskraut ist eine solche Pflanze. Wenn seine goldgelben Blüten um die Sommersonnenwende die Wiesen und Wegränder überziehen, fühlt es sich an, als hätte die Sonne den Boden geküsst und kleine, leuchtende Sterne hinterlassen. Diese Sonnenkraft für die dunkleren Tage des Jahres zu bewahren, ist eine Kunst und ein Ritual zugleich. Es geht darum, mit Respekt und Wissen zu ernten, zu trocknen und die Heilkraft dieser wunderbaren Pflanze für uns nutzbar zu machen. In diesem Leitfaden nehme ich dich mit auf die gesamte Reise: vom Erkennen der perfekten Erntezeit bis zum achtsamen Umgang mit dem getrockneten Schatz.

Das echte Johanniskraut: Heilkraft aus der Natur

Die Bedeutung von Johanniskraut als Heilpflanze

Seit Jahrhunderten wird das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) als eine der wichtigsten Heilpflanzen Europas geschätzt. Sein Name ist eng mit Johannes dem Täufer verbunden, da es um den Johannistag (24. Juni) seine höchste Blüte erreicht. Es gilt als Lichtbringer für die Seele, als Balsam für Wunden und als Beschützer vor dunklen Stimmungen.

Eine kurze Geschichte der Verwendung

Schon in der Antike nutzten Ärzte wie Hippokrates und Paracelsus das Kraut zur Behandlung von Melancholie und zur Wundheilung. Im Mittelalter galt es als magische Pflanze, die Dämonen und böse Geister vertreiben sollte. Man hängte es über Türen und Fenster, um das Haus zu schützen. Diese alte Ehrfurcht zeigt, wie tief die Verbindung zwischen Mensch und Johanniskraut seit jeher ist.

Wichtige Inhalts- und Wirkstoffe und ihre Wirkungen

Die Magie des Johanniskrauts lässt sich heute wissenschaftlich erklären. Es enthält einen Cocktail aus kraftvollen Inhaltsstoffen, die ineinandergreifen:

Hypericin: Dieser Farbstoff ist für die tiefrote Farbe des Johanniskrautöls verantwortlich. Er wirkt antiviral und hat einen Einfluss auf die Lichtempfindlichkeit der Haut.

Hyperforin: Dieser Stoff gilt als Hauptverantwortlicher für die stimmungsaufhellende Wirkung. Er kann die Konzentration von wichtigen Botenstoffen im Gehirn (wie Serotonin und Dopamin) positiv beeinflussen.

Flavonoide: Diese sekundären Pflanzenstoffe wirken antioxidativ und entzündungshemmend und unterstützen die allgemeine Heilkraft der Pflanze.

Die richtige Erntezeit für Johanniskraut

Die Qualität deines getrockneten Krauts steht und fällt mit dem perfekten Erntezeitpunkt. Hier lauschst du dem Rhythmus der Natur.

Optimaler Erntezeitpunkt (Juni bis August)

Die Hauptblütezeit und damit die ideale Erntezeit liegt zwischen Ende Juni und August. Der traditionelle Zeitpunkt um den Johannistag (24. Juni) ist oft ideal, da die Pflanze hier in voller Kraft steht.

Anzeichen der Erntereife

Du erkennst die Erntereife daran, dass die meisten Blüten an einer Dolde geöffnet sind, während einige noch als Knospen darauf warten, sich zu entfalten. Zerreibst du eine der gelben Blüten zwischen den Fingern, sollte ein rötlicher Saft austreten – das Zeichen für einen hohen Hypericingehalt.

Tageszeit und Wetterbedingungen fürs Johanniskraut ernten

Wähle unbedingt einen trockenen, sonnigen Tag. Ernte am besten am späten Vormittag oder um die Mittagszeit, wenn der Morgentau vollständig verdunstet ist. Dann sind die ätherischen Öle und Wirkstoffe in der Pflanze am konzentriertesten.

Erntemethoden und -techniken

Sei achtsam und respektvoll bei der Ernte. Du nimmst dir einen Teil der Natur und solltest ihr mit Dankbarkeit begegnen.

Benötigte Werkzeuge und Materialien

Du benötigst nicht viel: eine scharfe Schere oder ein kleines Messer und einen luftigen Korb oder eine Stofftasche zum Sammeln. Verwende keine Plastiktüten, da die Pflanzen darin schwitzen und welken würden.

Schonende Ernte der Johanniskrautblüten und oberen Pflanzenteile

Schneide nur die oberen 15-20 Zentimeter der Pflanze ab – die zarten Stängel mit den Blüten, Knospen und oberen Blättern. Lasse den unteren, verholzten Teil der Pflanze stehen, damit sie weiterwachsen und sich aussamen kann.

Richtige Handhabung zur Vermeidung von Qualitätsverlusten

Lege die geernteten Kräuter locker in deinen Korb. Drücke sie nicht zusammen, um Druckstellen und vorzeitiges Welken zu vermeiden. Verarbeite sie so schnell wie möglich nach der Heimkehr weiter.

Johanniskraut richtig trocknen: Von der Ernte zur Lagerung

Jetzt beginnt der alchemistische Teil: Wir entziehen der Pflanze das Wasser, um ihre Seele und Kraft haltbar zu machen.

Das Erntegut vorbereiten: Sorgfalt zahlt sich aus

Breite deine Ernte auf einem Tuch aus und schüttle alles sanft aus, um kleine Insekten zu entfernen. Wasche das Kraut nicht! Wasser fördert Schimmelbildung und spült wertvolle Inhaltsstoffe weg.

Wie trocknen wir unser Johanniskraut?

Der Klassiker:

Natürliche Lufttrocknung: Dies ist die sanfteste und beste Methode. Binden Sie einige Stängel zu kleinen, lockeren Sträußen und hängen Sie sie kopfüber an einem dunklen, trockenen und gut belüfteten Ort auf (zB ein Dachboden, eine Speisekammer). Direktes Sonnenlicht würde die Wirkstoffe zerstören. Alternativ kannst du die Pflanzenteile auf einem Trocknungsgitter auslegen.

Für die Eiligen:

Künstliche Trocknungsmethoden wie das Trocknen im Backofen oder in der Mikrowelle sind nicht zu empfehlen. Die Hitze ist zu aggressiv und zerstört die empfindlichen Inhaltsstoffe.

Was ist nun die beste Methode?

Die langsame, natürliche Lufttrocknung ist unübertroffen. Sie dauert zwar ein bis drei Wochen, erhält aber die Heilkraft deines Johanniskrauts am besten. Dein Kraut ist perfekt trocken, wenn die Stängel beim Biegen brechen und die Blätter zwischen den Fingern rascheln.

Qualitätskontrolle und Lagerung: Damit die Heilkraft erhalten bleibt

Trenne die getrockneten Blätter und Blüten von den Stängeln und füllte sie in dunklen, luftdicht verschließbaren Gläsern. Beschriftet sie mit Inhalt und Datum. So gelagert, bleibt die Kraft für mindestens ein Jahr erhalten.

Verarbeitung und Anwendung von Johanniskraut und seine unglaubliche Vielseitigkeit 

Aus deinem getrockneten Schatz kannst du nun wunderbare kleine Helfer herstellen.

Ein wärmender Johanniskraut-Tee: Übergieße 1-2 Teelöffel des getrockneten Krauts mit heißem, nicht mehr kochendem Wasser. Den Tee musst du 10 Minuten ziehen lassen. Ein klassischer Seelentröster an grauen Tagen.

Johanniskraut- Rotöl: Legen Sie das getrocknete Kraut in ein hochwertiges Pflanzenöl (z. B. Olivenöl) ein und lassen Sie es circa vier Wochen an einem warmen Ort ziehen. Das Öl durchlebt verschiedene Phasen und ist mal trüb, dann mal wieder klar. Tipp: Abseihen in einer Phase in der das Johanniskraut-Öl klar ist. Das Ergebnis ist ein rötliches Öl, das äußerlich bei Hautirritationen, leichten Verbrennungen, Sonnenbrand, Insektenstiche und Muskelschmerzen angewendet wird.

Johanniskraut-Tinktur: Mit hochprozentigem Alkohol angesetzt, entsteht eine konzentrierte Tinktur, die tropfenweise eingenommen werden kann.

Johanniskraut:

Vorsichtsmaßnahmen und mögliche Nebenwirkungen beziehungsweise Wechselwirkungen

Wichtiger Hinweis: Die folgenden Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung. Sprich die Einnahme von Johanniskraut immer mit einem Arzt oder Apotheker ab!

Wechselwirkungen mit Medikamenten: Johanniskraut kann die Wirkung vieler Medikamente stark beeinflussen! Besondere Vorsicht gilt bei der Pille (deren Wirkung herabgesetzt werden kann!) , Antidepressiva, Blutgerinnungshemmern und Immunsuppressiva.

Lichtempfindlichkeit: Johanniskraut kann die Haut empfindlicher gegenüber Sonnenlicht machen. Verzichtet während der Einnahme auf intensive Sonnenbäder und Solariumbesuche.

Wann man besser den Finger von Johanniskraut lässt: In der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei schweren Depressionen sollte Johanniskraut nur nach ausdrücklicher ärztlicher Anweisung eingenommen werden.

Nachhaltiger Anbau und Ernte von Johanniskraut im Garten: Ein Herzensprojekt

Johanniskraut im eigenen Garten: Die Pflanze im eigenen Garten anzubauen, ist die nachhaltigste Methode. Sie ist anspruchslos und schenkt dir nicht nur Heilkraft, sondern auch Bienen und Hummeln eine reiche Nahrungsquelle.

Wildsammlung mit Bedacht und Respekt: ​​Wenn du wild sammelst, tue es mit Respekt. Ernte nie einen Standort komplett ab. Eine gute Regel ist, immer mindestens zwei Drittel der Pflanzen stehen zu lassen, damit sich der Bestand erholen kann.

Johanniskraut: Eine wertvolle Heilpflanze mit Respekt behandeln

Johanniskraut ist ein wunderbares Geschenk der Natur. Wenn wir es mit Wissen, Achtsamkeit und Respekt ernten, trocknen und anwenden, kann es uns ein wertvoller Begleiter für Körper und Seele sein. Es ist eine Einladung, die Apotheke vor unserer Haustür wiederzuentdecken und die Verbindung zur Natur zu stärken.

Häufig gestellte Fragen

Kann ich auch nur die Blüten des Johanniskrauts trocknen?

Ja, das ist möglich und für manche Anwendungen, bei denen es auf die höchste Konzentration an Inhaltsstoffen ankommt, sogar üblich. Allerdings enthalten auch die Blätter wertvolle obere Wirkstoffe. Für einen Tee oder ein Öl ist es daher ideal, die oberen Triebspitzen mit Blüten und Blättern gemeinsam zu trocknen.

Warum darf ich das Johanniskraut nicht im Backofen trocknen?

Die Hitze im Backofen, selbst bei niedrigster Stufe, ist viel zu aggressiv. Sie würden die empfindlichen ätherischen Öle und andere wertvolle Inhaltsstoffe zerstören, bevor die Pflanze überhaupt richtig trocken ist. Die sanfte Lufttrocknung ist immer die beste Methode, um die Heilkraft zu erhalten.

Mein getrocknetes Johanniskraut riecht ein wenig nach Heu, ist das normal?

Ja, das ist völlig normal und ein gutes Zeichen. Während des Trocknungsprozesses verändert sich der Geruch. Ein leichter, angenehmer Heu-Duft zeigt, dass der Prozess natürlich abgelaufen ist. Muffiger oder schimmeliger Geruch wäre dagegen ein Zeichen dafür, dass das Kraut nicht schnell genug getrocknet ist.

Nach oben scrollen